Der HALO-Effekt im E-Commerce

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Den Halo-Effekt kennt man eigentlich aus der Sozialpsychologie und im Kontext zur Wahrnehmung von Menschen.

Stark vereinfacht kann man sagen: Der erste Eindruck zählt. Auch dann wenn er nur einen Bruchteil des Menschen beurteilt und alles, was außen vor bleibt, somit nicht berücksichtigt oder sogar falsch bewertet.

Ein klassisches Beispiel für den Halo-Effekt: Ein Korrektor beurteilt in einer Klausur, die aus mehreren Aufgaben mit offenen Fragestellungen besteht, wie beispielsweise einer Klausur für angehende Fachwirte im E-Commerce die Aufgaben 3 bis 7 signifikant besser, wenn die Aufgaben 1 und 2 sehr gut beantwortet wurden. Und eben auch andersherum. Bei einem solchen Vorgehen kann der Halo-Effekt auftreten und Bewertungen verzerren.

Verzerrung ist auch das wichtige Stichwort: Es handelt sich um einen kognitive Verzerrung oder auch Wahrnehmungsverzerrung.

In einer Klausur ist das Vorgehen deswegen häufig so, dass der IHK-Korrektor in allen Klausuren erst die Aufgabe 1 bewertet, dann bei allen die Aufgabe 2 und so weiter. So schützt sich der Korrektor vor Fehlbewertungen, zu denen er sonst aufgrund des Halo-Effekts kommen könnte.

Bekannt ist dieser Effekt mittlerweile auch im Personalwesen, bei der Beurteilung von Mitarbeitern und der Auswahl von Bewerbern. Die subjektiven Vorlieben eines Entscheiders können dafür sorgen, dass andere Aspekte weniger stark gewichtet werden. Das können fachliche Qualifikationen sein, aber auch das Aussehen. So wir gut aussehenden Menschen häufig mehr Kompetenz zugeschrieben.

Der Halo-Effekt im E-Commerce

Der Halo-Effekt setzt aber nicht nur im Umgang mit Menschen ein, sondern auch im Umgang mit Dingen und in alltäglichen Wahrnehmungen. Den Urlaubsort, den wir bei gutem Wetter erlebt haben, schätzen wir mehr, als den im verregneten Urlaub. Selbst wenn das Hotel schlechter war und die touristischen Angebote weniger attraktiv.

Natürlich greift der Effekt auch im Onlineshop und auf Webseiten allgemein. Das fängt beim „Brand Halo“ an, der Strahlkraft eben, die Marken auf uns ausüben, ohne dass wir weiter hinterfragen, ob das Produkt, um das es geht, wirklich so gut ist und geht hin bis zur Gestaltung von Produktdetailseiten oder den Bewertungen.

Eine gut strukturierte Website, eine ordentliche Menüführung, eine Umgebung, in der potentielle Kunden sich „wohl“ fühlen, das alles hilft ungemein, beim ersten Eindruck zu überzeugen.

Dabei spielen Farbgebung, Wording, Darstellungen und vieles mehr eine Rolle.

Nehmen wir an, wir wollen Kunstpflanzen kaufen. Wo tun wir das? In dem Shop, der ein Gelb-Oranges Corporate Design hat und „Büroausstattung Kaiser*“ heißt oder in dem Shop, der „EasyGreens*“ heißt und in gedeckt, aber frischen, grünen Farbtönen gehalten ist?

Im Onlineshop reagieren wir, ähnlich wie im echten Leben, erstmal auf oberflächliche, optische Reize und Wahrnehmungen. Dabei sagt die Farbgebung weder etwas über Qualität, Kompetenz oder auch nur Preisstrukturen aus.

Der Halo-Effekt im Marketing

Wahrnehmungsverzerrungen, die bereits existieren, lassen sich im Onlinehandel hervorragend nutzen. Ein gutes Beispiel hierfür ist Apple. „Wenn du kein iPhone hast – dann hast du kein iPhone“.

Die schiere Brand Sichtbarkeit von Apple sorgt mittlerweile dafür, dass Menschen der Meinung sind, dass jeder Mensch ein iPhone hat. Das gilt nicht nur für iPhone-Besitzer, sondern auch für die Besitzer von Smartphones mit Android Betriebssystem. Auch die sind der Meinung, dass jeder (außer ihnen selbst) ein iPhone besitzt. Was schlicht nicht mehr stimmt. In Deutschland überholte Android das Apple iOS bereits 2012. Stand 03/23 liegt der Anteil von Android-Geräten bei gut 60% (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/184332/umfrage/marktanteil-der-mobilen-betriebssysteme-in-deutschland-seit-2009/) .

Trotzdem sind es das iPhone und Apple, die einem direkt in den Sinn kommen. An Blackberry hingegen, das mit seinen Handys mit ausklappbarer Tastatur mal das absolute Business-Must-have war, denkt heute hingegen niemand mehr.

Apple nutzt die Strahlkraft der Marke, um Produkte auf den Markt zu bringen, die unvernünftig teuer sind und auch technisch Mehrwerte bieten, die die wenigsten brauchen. Blackberry hingegen hat seinen „Heiligenschein“ verloren. Denn auch das nicht möglich.

Wie sich Bewertungen und der Halo-Effekt auf Konsum auswirken.

Menschen konsumieren einfach nicht sinnvoll.

Wir fahren zu große Autos, kaufen zu teure Kleidung und Computer, deren Leistung wir nie ausschöpfen. Letztens fragte mich jemand (ich mach ja was mit Internet…), was für einen Laptop ich empfehlen könnte und brachte gleich einige Beispiele für High End Gaming Laptops mit. Meine irritierte Frage, wofür der denn gebaucht würde, bekam die Antwort: „Naja, so ein bisschen Facebook, mal ne Mail schreiben und shoppen.“

Wie kommt jemand auf die Idee, einen High End Rechner dafür zu brauchen? Das kann selbst ein 100-Euro-Smartphone. Aber mehr Leistung ist schließlich immer besser. Das ist nicht neu. Zunehmend lassen wir uns aber auch durch Bewertungen beeinflussen.

Differenzierter, als manch einer glaubt, aber dennoch: Bewertungen beeinflussen uns.

Zwei 5-Sterne-Bewertungen haben keine große Strahlkraft. 4,8 Sterne bei über tausend Bewertungen aber schon. Dabei ist es egal, ob die Bewertungen fünf Jahre alt sind oder sich auf ein Vorgängermodell beziehen. Wir gehen automatisch davon aus, dass die Qualität ok ist.

Mehr noch: Wenn wir ein Produkt dann haben und nutzen, bewerten wir es. Innerlich, wie auch in Form von Bewertungen in Portalen und Shops. Und meistens bewerten wir hier den ersten Eindruck. Das Shirt hat die richtige Farbe, eine hochwertige Verpackung und kam knitterfrei an? Dann wird es auch langlebig sein, beim Waschen farbecht und insgesamt sicher pflegeleicht. Nichts davon können wir wirklich beurteilen, aber wir nehmen es an. Und wenn sich dann herausstellt, dass das alles nicht zutrifft, suchen wir viel zu häufig den Fehler bei uns selbst. Denn eine positive Bewertung haben wir ja bereits verfasst. Der Halo-Effekt ist also nicht nur etwas, das von außen unsere Wahrnehmung verzerrt – wir selbst verzerren sie. Unsere Kunden tun es. Also müssen wir unsere Kunden dahin gehend beeinflussen,

Den Halo-Effekt nutzen

Wie lässt sich der Halo-Effekt nun im eigenen Marketing nutzen?

Zunächst gilt es, für die eigene Zielgruppe maximal sympathisch zu wirken. Zwar heißt es immer wieder, dass schöne Menschen sympathischer sind – aber Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters und kann sogar gefährlich werden. Wichtiger, als makellose Schönheit ist Attraktivität, gepaart mit Authentizität. Diese beiden Faktoren bringen uns als Verkäufern massive Pluspunkte ein. Es gilt dabei, immer möglichst nah, an ein Ideal heran zu kommen, ohne es zu erreichen. Makellosigkeit weckt nämlich nicht nur Begehren, sondern auch Neid.

Werbefiguren sollten also attraktiv, aber nicht perfekt sein.

Produktverpackungen beeinflussen zudem die Meinung über das Produkt massiv. Wird ein gleichwertiges oder gar gleiches Produkt einmal ohne jede Verpackung, einmal in einer unschönen, haptisch und optisch minderwertigen Verpackung und einmal in einer exklusiven Designverpackung angeboten, bekommt die Variante in schöner Verpackung mehr Zuspruch. Doch auch die Variante ohne Verpackung macht einen besseren Eindruck, als die mit einer schlechten.

Es lohnt sich also, in ansprechende Verpackungen zu investieren. Denn sie beeinflusst bereits die innere Haltung zum Produkt.

Gleiches gilt aber auch für alles, das wir so digital in die Welt schicken. Ob nun Webshop, Newsletter oder Rechnung. Ansprechendes Design setzt sich auch hier immer durch.

Für die Frage, was aber ansprechend ist und was vielleicht nicht, müssen wir aber zum immerwährenden Thema „Zielgruppe“ zurück kehren. Denn verschiedene Gruppen haben verschiedene Vorlieben. So kann es einer nicht ganz so finanzstarken Zielgruppe vielleicht auch ein Dorn im Auge sein, wenn ein viel zu exklusiver Eindruck erweckt wird – selbst wenn der Preis im Budget liegt, kaufen sie wo anders.

Am Ende gelangen wir also immer wieder zur Zielgruppe und den Mehrwerten, die wir ihnen schon durch die Beeinflussung und das Einwirken auf ihre Wahrnehmungsverzerrung bieten.

*Die Namen sind ausgedacht und dienen nur der Veranschaulichung, sollte es Unternehmen mit diesen Namen geben: Sorry! Ihr seid gar nicht explizit gemeint!

Nadine Huss

Nadine ist die Autorin des Buchs "E-Commerce-Manager*in", Dozentin und Beraterin.