In meinen E-Commerce Manager – Kursen frage ich die Gruppen relativ zu Beginn immer:
Welche Produkte würdet ihr online nie wieder kaufen und warum?
Die Liste ist über die letzten Jahre immer kürzer geworden. Waren vor ein paar Jahren noch Produkte wie Lebensmittel oder auch Medikamente auf dieser Liste, gehören auch solche Produkte längst zur Normalität des Online-Shoppens.
Was sich aber nach wie vor hält ist die Antwort „Pflanzen“. Bisher habe ich selbst nie Pflanzen online bestellt, konnte mir die Probleme, angefangen bei der Qualität bis hin zu „wie übersteht eine Pflanze den Transport?“, gut vorstellen.
Ich habe den Test gemacht und kann aktuell noch nichts zur Qualität sagen (reiche ich aber gerne nach). Sehr wohl aber zur Frage, wie die Pflanzen den Transport überstehen und – daran anknüpfend – wieso Händler mehr Wert auf Verpackung legen sollten.
Zunächst zur Transportfrage: Die Pflanzen sehen etwas mitgenommen aus, was aber bei über 30 Grad an Temperaturen draußen und in Lieferfahrzeugen vermutlich auch mehr, nicht weiter verwunderlich ist. Ich wage zu behaupten: Sie sähen besser aus, wenn ich nicht mitten in einer Hitzewelle bestellt hätte.
Der Händler hat sich auch alle Mühe gegeben, das Überleben der Pflänzchen zu sichern. Sie sind in viel Papier eingepackt und ordentlich durchnässt, so dass nichts vertrocknet ist.
Wenn Verpackungsstandards nicht mehr ausreichen
Und da beginnt das Verpackungsproblem.
Für die Pflanzen ist das sicherlich gut und richtig.
Nicht so sehr für das Paket. Und irgendwie auch nicht für den Paketboten oder den Empfänger.
Die Situation sah nämlich folgendermaßen aus:
Ein etwas nervöser Paketbote klingelte an meiner Tür und überreichte mir ein ziemlich zerdelltes, aufgeweichtes und unansehnliches Paket, das mit rotem „Vorsicht Glas“-Klebeband verpackt war. Mein erster Impuls war natürlich auch irgendwo zwischen Schock und Wut. Ein Blick auf den Absender beruhigte mich aber: Da ist definitiv kein Glas drin und auch nix zerbrechliches. Also fix den Paketboten beruhigt, ich nehme das Paket – er bekommt keinen Ärger.
Verwundert war ich aber schon.
Muss das Paket wirklich so aussehen? Hätte man nicht etwas pfleglicher damit umgehen können?
Nun, hätte man. Hat man vielleicht. In der Annahme, es handele sich um ein normales, stabiles Paket.
Aber da war ja die Sache mit den gut gewässerten Pflanzen. Papier und Pappe, die mit Wasser in Berührung kommen, bleiben eben alles andere als stabil. Sie weichen auf und werden wabbelig und instabil. Da braucht es dann keinen sorglosen Umgang mit dem Paket mehr – man muss nur ein anderes, auch wenn es viel leichter ist, drauf stellen, damit es nachgibt.
Langer Rede kurzer Sinn: Hier ist nicht viel mehr passiert, als ein nervöser Paketbote und eine kurzzeitig verärgerte Nadine.
Verpackungsschäden als Retourengrund
Ich musste in diesem Moment an eine Bekannte denken, die vor ein paar Jahren mal ihrem Ärger über einen Online-Händler bei mir Luft machte. Ein Paket sei völlig zerdellt, mit eingedrückten Ecken, angekommen und sie hätte das natürlich sofort zurückgeschickt. Meine Frage, was sie denn bei einem Bekleidungshändler (!) gekauft habe, dass das so schlimm sei, beantwortete sie mit „T-Shirts“.
Meine weitere Frage, was denen denn im Paket, das vielleicht zu Boden gefallen ist, passiert sein sollte, irritierte sie nur.
Die Versandverpackung ist das erste, das eure Käufer von euch live zu sehen bekommen. Auch hier zählt der erste Eindruck. Wenn Shopper den Eindruck haben, ihr seid nichtmal in der Lage, eure Ware ordentlich zu verpacken, wie sollen sie dann auf die Qualität euer Produkte vertrauen?
Retouren steigen, wenn die Versandverpackung Schäden aufweist. Die innere Bewertung des Kunden wird aber in den meisten Fällen negativ beeinflusst.
Der so genannte Second Moment of Truth ist direkt negativ geprägt.
Verpackung als erster Touchpoint im Second Moment of Truth
Der Second Moment oft Truth bezeichnet das Alltagserleben, das ein Käufer mit einem Produkt hat. Es gibt nicht einen, sondern viele solcher kleinen Wahrheitsmomente. Und der erste ist eben das Paket, das zu Hause ankommt.
Der Kunde hat das Produkt im ersten Wahrheitsmoment (First Moment of Truth), der ihn zum Kauf gebracht hat, noch nicht live gesehen oder anfassen können. Anders eben als im stationären Handel, in dem das eben zum Kaufentscheidungsprozess dazu gehört.
Ebenfalls anders als im stationären Kauf, liegt online zwischen der Kaufentscheidung und dem Second Moment of Truth eine Wartezeit. Das Paket muss versendet werden, die Lieferung abgewartet. Es ist also ohnehin schon eine Phase der latenten Unsicherheit. Umso wichtiger wird aber eben der erste Eindruck – beim Empfang des Pakets.
Wenn das Paket schon so aussieht? Wie sorgfältig arbeitet da wohl der Verkäufer in anderen Dingen?
Sieht es so aus, wie in meinem Pflanzenfall und hat ein „Vorsicht Glas“ – Tape auch noch für zusätzliche Verunsicherung und Verwirrung gesorgt, ist die Stimmung erstmal negativ.
Im schlimmsten Fall verweigert der Kunde sogar ganz die Annahme (was mein erster Impuls bei einem zerdellten Paket mit „Vorsicht Glas“ – Aufkleber war).
Verpackung und Customer Journey
Die Verpackung gehört zur Customer Journey! Eben nicht nur das sorgfältige Verpacken, sondern auch der Zustand bei Ankunft.
Liebe Händler, aus den Augen ist nicht aus dem Sinn. Denn es ist nur aus euren Augen.
Etwas, das ihr gut denkt, kann beim Kunden sehr anders ankommen. Kümmert euch also um taugliche Verpackungen oder arbeitet proaktiv: Sagt euren Kunden: Wir versenden unsere Pflanzen durchnässt, damit sie bis zu dir, lieber Kunde, überleben. Dadurch kann das Paket aufweichen und unansehnlich werden, mach dir keine Gedanken.
Sicherlich gibt es in meinem Fall des Pflanzenversands Gründe dafür, kein Plastik einzusetzen (ökologische Gründe, Pflanzen könnten „absaufen“ etc), vielleicht sogar einen Grund für den „Vorsicht Glas“-Aufkleber (man hatte kein anderes mehr, es sollte aber trotzdem schnell gehen, vielleicht ist es die Hoffnung, der Paketdienstleister geht vorsichtig mit dem Paket um). Es sind nur eben Gründe, die sich einem Kunden nicht unbedingt erschließen. Im schlimmsten Fall ist der Kunde am Ende verärgert.